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AutorenbildNaomi

Mary und Peter. Mein Gespräch mit Tante Rose

Ein Mann, nennen wir ihn Peter, Mitte dreißig, attraktiv und mit einer klaren Vorstellung vom Leben, trifft eines Abends zufällig auf eine Frau. Er hat schon viele charmante Frauen kennengelernt, doch diese hier, nennen wir sie Mary, ist anders. Es ist ihr Lachen, das ihn berührt, ihre elegante Art, sich zu bewegen, und der Blick, der ihn in eine seltsame, fast magische Unruhe versetzt. Es interessiert ihn nicht, wie alt sie ist, was sie verdient oder welchen Weg sie gegangen ist. Alles, was zählt, ist der Wunsch, in ihrer Nähe zu bleiben.


„Das ist sexuelle Anziehungskraft, nicht wahr?“ Tante Rose lacht leise, ihre Augen funkeln. „Doch was geschieht bei der Frau?“ fragt sie, ihre Aufmerksamkeit ganz auf mich gerichtet.


„Sie fühlt sich ebenfalls angezogen – bewusst oder unbewusst, nicht wahr?“ erwidere ich vorsichtig.


„Ganz genau. Ihre Intuition übernimmt die Führung. Selbst bei den pragmatischsten Frauen wird ein tiefes, unbewusstes Wissen aktiviert. Ihre inneren Antennen scannen, ob der Mann die Eigenschaften besitzt, die ihre Aufmerksamkeit wert sind. Das ist emotionale Anziehungskraft.“ Tante Rose lehnt sich zurück, ihr Lächeln wird nachdenklich. „Beide genießen das Spiel und glauben, es unter Kontrolle zu haben. Doch ist es wirklich so? Kann jeder für sein Spiel die Regeln bestimmen – oder es gar beenden, wann er will?“


Ihr Blick ruht auf mir, prüfend, fast herausfordernd.


„Tante, du machst mich nervös! Sag schon, haben Menschen wirklich die Macht, ihr eigenes Lebensspiel zu schreiben?“ frage ich, unsicher.


Schweigend nimmt sie ihre Bürste und beginnt, ihr langes, noch immer wunderschönes Haar zu kämmen. Schließlich spricht sie mit sanfter Stimme:


„Peter und Mary durchlaufen drei Phasen der Anziehung: die sexuelle, die emotionale und die karmische. Zuerst dominiert die sexuelle Anziehung – sie dreht sich um Schönheit, Sexualität, Status, um das Äußere. Doch bald wird sie von der emotionalen Anziehung abgelöst. Hier geht es um Vertrauen, Stabilität und das Verlangen nach bedingungsloser Liebe. Diese Phase stellt alles infrage: die Verbindung, die Werte, die Ziele. Nur wenige Paare gelangen über diese zweite Phase hinaus.


Die dritte Phase, die karmische Anziehung, ist die tiefste. Sie ist selten und verlangt oft mehrere Inkarnationen, um vollständig verstanden und gelebt zu werden. Auf dieser Ebene wird das Zusammensein als Teil eines größeren Seelenplans erkannt – ein Plan, der nicht nur dem eigenen Glück dient, sondern auch dem Wohl des Ganzen.“


Ihre Stimme verklingt, während sie weiterschaut, als sehe sie mehr als nur mich.

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